Ikonov
Kann man durch die Kinoleinwand reisen? Der russischsprachige Schauspieler Vsevolod, der plötzlich beim Near and Far East Filmfestival in Wien auftaucht, schafft das. Aber seine eigene Darstellung der Ereignisse stimmt nicht immer mit dem überein, was wir sehen. Die angebliche Magie kollidiert mit der Realität eines illegalen Migranten. (Produktionsnotiz)
Der junge Vsevolod weiß nicht, wohin. In seinem Herkunftsland läuten stählerne Kriegsglocken, deren Ruf er nicht hören will. Also macht er sich auf den Fluchtweg nach Österreich, wo die Kipferl nach Frieden duften und ein Film, in dem er einst mitgespielt hat, bei einem kleinen Filmfestival läuft. Doch so sehr er sich auch bemüht, Vsevolod kommt und kommt nicht an. Obwohl er längst da ist, in Wien, auf den Straßen und in den Kinos – wo ein Regisseur, der sich kaum noch an ihn erinnert, Vsevolod zwischen patscherten Q&A-Sessions und dem dritten Beruhigungskrügerl dürftige Gastfreundschaft angedeihen lässt. Hat der Verlorene sein kleines Heimatdorf je verlassen? Oder wurde er vom Projektorlicht in ein mystisches Grenzgebiet transportiert, wo Gegenwart und Vergangenheit, Traum und Wirklichkeit ineinanderfließen?
Aleksey Lapins Zweitling Ikonov nimmt den fransigen Faden wieder auf, den der Kinokünstler in seinem markanten Debüt Krai (2021) ausgelegt hat. Erneut ist die Form „hybrid“, erneut spielt Lapins Cousin Vsevolod Nikonov ein Vexierbild seiner selbst – wobei der Mann mit dem schönen und traurigen Antlitz diesmal in einem drolligen Weihnachtspullover steckt. Wie Krai verquickt Ikonov Tragik und Komik, Ironie und Melancholie. Dokumentarische Echos des Krieges gegen die Ukraine und ein dumpfes Fremdheitsgefühl spuken hier durch das satirische Porträt einer glanzlosen Kulturszene: als hätte Hong Sang-soo einen Wien-Film gedreht. Lapins verschachtelte Meta-Erzählung wirkt dabei nie verkopft. Sie bedient Klischees von der „russischen Seele“ und macht sich im selben Atemzug über sie lustig, schwelgt in Beethovens Siebter, schwingt die Hüften zu schummrigem Synthpop aus Litauen – und findet in diesem Balanceakt so etwas wie ein fragiles Zuhause. (Andrey Arnold)
Ikonov
2026
Österreich
95 min
Fiktion
Russisch, Deutsch, Englisch
Englisch, Deutsch