Miliz in der Früh

Miliz in der Früh, Scheugls erster und kaum bekannter Film von 1966, schwelgt in einer Fülle, die keinen Umweg über die Leere nimmt. Ein Arsenal an Formelementen und Montagepraktiken, die die Film-Avantgarde schätzt, wird ausgebreitet: die Trennung von Bild und Ton, der Kurzschnitt und sein Flickern, der künstlerische Eingriff in das Bild selbst, die Fragmentierung in narrative Partikel, die Übersetzung von Schrift in Bild, der nervöse urbane Blick, den nichts hält, die Farbe, die sich von ihren Gegenständen löst und zum Zeichen wird, ein System von Unterbrechungen und Verzweigungen, das lineare Zeit aus den Fugen hebt. Auch die Geschichte, zu der sich der Film zusammensetzt, hat die klassische Dramaturgie längst verabschiedet.
Sie sammelt Beobachtungen von den Rändern der Stadt, zeigt Neugierde für Gesichter und Alltagsgeschehen, streut Plotelemente der Intrige ein und wildert in der Populärkultur. Aus Scheugl spricht in Miliz in der Früh nicht ein hehrer Dogmatiker der Form oder des Materials, vielmehr ein Zeitspieler, dem Film ein Reservoir der Durchkreuzungen und Erkundungen ist.

Eine junge Frau streift durch Wien und wird immer wieder Spuren der österreichischen Verstrickung in den Nationalsozialismus begegnen. Auf den Straßen nimmt keiner Notiz davon, in den Wohnungen werden die Erinnerungen, die in Fotografien und Briefen aufbewahrt sind, mit Füßen getreten. Die finalen Bilder des Films bestätigen, der Auftrag wurde ausgeführt. Wieder verläuft eine Straße bis zum Horizont.

Elisabeth Büttner: Poetik der Fülle. Wegmarken zu Hans Scheugl und seinem Film Miliz in der Früh. In: Hans Scheugl. Die Fotografien des Filmemachers. Katalog. Wien-Museum 2012

Orig. Titel
Miliz in der Früh
Jahr
1966
Land
Österreich
Länge
17 min
Regie
Hans Scheugl
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Deutsch
Downloads
Credits
Regie
Hans Scheugl
Drehbuch
Hans Scheugl
Kamera
Walter Funda, Hannes Zell, Hans Scheugl
Darsteller*in
Peter Weibel, Anka Zilavsky, Hans Scheugl, Brigitte Stefan
Mitarbeit
Gottfried Schlemmer, Ernst Schmidt jr., Peter Weibel
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe