Atelier
Seinen Ateliers hat Hans Schabus schon einiges zugemutet: zum Beispiel die Installation einer weitläufigen Modellbahntrasse knapp unter der Decke (Passagier // 2000), oder ein eigenhändig ausgehobenes, fünf Meter tiefes Loch im Boden (Schacht von Babel // 2003). Atelier stülpt nun einen anderen – filmischen – Raum über die Arbeitsräumlichkeiten des Künstlers. Einstellungslängen und -größen, Schnittfolgen und Kamerabewegungen des Neunminüters sind akribisch dem Finale von Sam Peckinpahs Western The Wild Bunch (1969) nachgestellt, dessen Tonspur synchron mitläuft: Zu Aufnahmen einer spärlich bevölkerten Wiener Straße ertönen das Klirren von Sporen und mexikanischer Volksgesang. Mit wenigen Einstellungen ist die Montage oben im Atelier mit Dachausblick angekommen, und die legendär exzessive Schluss-Schießerei beginnt. Der Kugelhagel bleibt unsichtbar, aber das Montagestakkato, mit dem Peckinpah das Ende seiner Räuberbande ausinszenierte, zerfetzt auch die funktional eingerichtete Werkstatt: Ein Drehsessel, zwei dunkelgraue Toilettentüren, eine voll geräumte Stellage usw. bleiben unverbundene Raumpartikel; zwischen Innen und Außen springt der Schnitt mühelos hin und her. Der abwesende Modellfilm lässt keine Übersichtlichkeit zu, unterwirft den aufgezeichneten Raum stattdessen seinem eigenen Koordinatensystem: Wiederholte Einstellungen unter Stühle lassen Schutzsuchende erahnen, Kameraeinstellungen suggerieren Figurenbewegungen, willkürliche Orte kristallisieren sich als Zentren der unsichtbaren Handlung heraus. Am Ende: Totale auf den unberührten Schauplatz des Massakers. Die Koppelung von Spätwestern und Künstlerwerkstatt ist melancholisch wie rätselhaft: Wird hier das letzte Gefecht eines zurückgezogenen Künstlersubjekts zelebriert? Oder das Atelier als Tatort kreativer Zerstörung gewürdigt? Jedenfalls: Ein Bravourstück kinematographischen Cross-Mappings.
(Joachim Schätz)
Atelier
2010
Österreich
9 min 28 sek