Strange Love
Idyllen, in denen sich Irritation auftut: Strange Love von Richard Wilhelmer (produziert am California Institute of the Arts), zeigt uns dies und impliziert dabei Einvernehmen mit uns darüber, dass es mittlerweile normal ist, in idyllischen Anblicken immer und überall Irritationen zu sehen. Getrübte Idylle ist heute ein vertrautes, gern gesehenes, leicht lesbares, idyllisches Bild. Umso mehr weiß man nie.
Ein Golfplatz glüht in Schwarzweiß und Abendsonne; eine Sirene heult; ein Schwenk weist zum Himmel. Dort taucht ein Jet so punktgenau aus den Wolken auf, dass es erst wie ein Zufall wirkt; als dann mehrere Jets den Himmel übersäen, wird klar: Es ist Krieg. Also: ein Bild vom Krieg. Zumal das folgende, das all die B-52-Bomber aus der Nähe zeigt: Es stammt wohl aus diesem Filmklassiker, auf den Titel und Schriftzug hier anspielen. Alles ist vertraut aber: Mitten in der allzu idyllischen Jet-Formation fliegt ein Stealth-Bomber, wie es ihn zu Zeiten von Kubricks Dr. Strangelove längst nicht gab.
Das Bild sieht aus, als wär es von Kubrick, das dazu von fact, fiction, contradiction kündende Lied klingt, als wär es von Klaus Nomi. Die Voice-over klingt nicht danach, ist aber die von James Benning (einem seinerseits mit Himmel, Landschaft und Alltagsbildirritation befassten Filmemacher). "I love you like I love the bomb", sagt er: Im Bild ficken zwei junge Amis, Mann und Frau, während im Hintergrund Bomben auf Hügel hageln.
Kubrick sah die Beziehung von Technik und Sex umgekehrt: I love the bomb like I love you. Die strange love von gestern ist das Idyll von heute. Dem bringt Strange Love die seltsam normale Liebe namens Nostalgie/Cinephilie entgegen, und zwar im Modus ihrer Selbstaushebelung. Sex mit Todestechnik, Friedensrune, Atompilz-Apokalyptik: Die Bildkultur des Kalten Krieges verweist hier auf unser Heute. Heute ist Krieg wohltemperierte Polizeitätigkeit, tendenziell immer und überall. Und die US Air Force bombardiert Amerika.
(Drehli Robnik)
Strange Love
2010
Österreich, USA
5 min