Heim ist nicht Daheim
Heim ist nicht Daheim mischt sich unter die Bewohner und Bewohnerinnen des Caritas Pflegewohnheims St. Peter in Graz, und berichtet aus deren Alltag. Dabei konzentriert sich der Film auf vier ProtagonistInnen, die auf der Basis relativer körperlicher und vor allem geistiger Fitness so etwas wie eine Freundschaft verbindet. Die in Holland geborene Liselotte Oman, die nach einem Schlaganfall ihre Eigentumswohnung aufgeben musste, bringt ihrem Aufenthalt im Heim am meisten Widerstand entgegen. Veronika Pfuhl feiert fast zu ihrem eigenen Erstaunen ihren 97. Geburtstag. Maria Neuhold ist ihrem Pfarrer, dem sie 40 Jahre lang als Köchin diente, ins Heim gefolgt und bleibt da nach seinem Tod zurück. Emil Pfeiffer, ehemaliger Zirkusdirektor, kommt mit seiner Situation am besten zurecht. Jeder kann sich das Glück selbst machen - wenn er will, sagt er; er erzählt von seiner "letzten großen Liebe" Hannerl und sorgt für das nötige Entertainment im Heim: Er macht Witze, er singt das Fiakerlied, er tanzt.
Die Regisseurin Julia Laggner, ausgebildete Musik- und Kunsttherapeutin, kam ursprünglich im Zuge eines Kunstprojektes von uniT (Verein für Kultur, Karl Franzens Universität Graz) in das Pflegewohnheim. Monatelang arbeitete sie mit ihren ProtagonistInnen zusammen, führte Gespräche. Auch vor der Kamera bleiben diese vier Menschen gelassen und direkt, wenn sie sich über ihr Leben und das unvermeidliche Thema Tod aussprechen. Heim ist nicht Daheim verschwendet wenige Augenblicke an die Vergangenheit oder gar an die Erinnerung: Diese Orte lassen sich nicht teilen, hier ist und bleibt jeder für sich. Stattdessen erfahren wir, dass Menschen auch in ihrem sogenannten letzten Lebensabschnitt eine Gegenwart und vielleicht sogar eine Zukunft haben: wenn sie lachen - und wenn sie trauern; wenn sie zufrieden und stolz an einer Modeschau teilnehmen; und wenn sie manchmal - gut gelaunt und selbstironisch - gemeinsam von Liebesabenteuern träumen.
(Sylvia Szely)
Wie leben Menschen im Alterswohnheim, wie fühlt es sich an, fühlt es sich überhaupt an, und ist man dort daheim? Die Filmemacherin Julia Laggner portraitiert in ihrem Dokumentarfilm Heim ist nicht daheim vier Personen, die in einem Caritas-Wohnheim leben und stieß dabei auf ganz unterschiedliche Gefühlsregungen, Wünsche, Sehnsüchte, Träume, Lebenserinnerungen und Gegenwartsvorstellungen. Heraus kam aber keine deprimierende Studie, sondern vielmehr ein Film, der amüsiert und berührt.
Vier tendenziös unterschiedliche Charaktere werden in der Doku zu Wort gebeten. Ein Zirkusdirektor, der gerne sehr ausführlich und ausschweifend erzählt und keine Scheu hat vor der Kamera zu singen, eine Kontakt pflegende, geistig aktive und unterhaltende Großbäuerin, eine Pfarrersköchin die im Heim das tut, was sie immer schon getan hat, nämlich ihren Pfarrer betreuen, sowie eine Frau, die nicht wirklich freiwillig im Heim ist und aus ihrem nicht einfachen Leben erzählt. Wie erleben diese vier Personen (quasi als Stichprobe der Unterschiedlichkeit unserer Gesellschaft), die ihren Lebensabend in institutionalisierter Betreuung verbringen, ihre Gegenwart im Bezug zu ihrer Lebensgeschichte? Der Film gibt Einblick in Leben und Erlebtes, allerdings nicht in trüber Schwermut, sondern gespickt mit Humor und Schrulligkeiten, wie es eben so ein Alltag mit sich bringt. Die Filmemacherin Julia Laggner bewies mit diesem Film ein feines Gespür ein gewissermaßen sperriges wie tabuisiertes Thema mit einfachen Mitteln und Lockerheit auf die Leinwand zu bringen.
(Manfred Horak, In: kulturwoche.at, 30.4.2010)
Vielleicht gerade weil Österreich eine alternde Gesellschaft ist, wird viel zu wenig darüber gesprochen, wie es sich anfühlt, in einem Altersheim leben zu müssen. In Heim ist nicht daheim kommen vier Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebenswegen zu Wort, die im Heim wie Freunde sind, einander „draußen“ aber wohl niemals begegnet wären.
(Diagonale Katalog, 2010)
Heim ist nicht Daheim
2010
Österreich
57 min